Die Pflege im Januar 2022: Zwischen Pflegebevollmächtigten & Bonuszahlungen

Die Pflege im Juli 2022: Pflege ist nicht gleich Pflege

Zusammen mit Pflegepionieren Annemarie Fajardo auf die Ereignisse und Nachrichten im Juli 2022. Was hat die Pflegebranche beschäftigt?

Pflegestreiks und Tariftreueregelungen für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen

Zwei Highlights begegneten uns im Juli 2022, die wir in unserem Rückblick dieses Mal genauer mit Annemarie Fajardo beleuchten möchten. Zum einen der Pflegestreik der Unikliniken in Nordrhein-Westfalen und zum anderen die Tariftreueregelung für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtung

Eigentlich ist es paradox:  

Auf der einen Seite müssen Pflegekräfte für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in den Kliniken kämpfenund auf der anderen Seite gibt es bereits Regelungen für eine bessere Bezahlung bei ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen. Doch Pflege ist nicht gleich Pflege, denn in Deutschland unterscheiden wir Betriebe, wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, nach Versicherungsstrukturen. Im Krankheitsfall gehen wir ins Krankenhaus und im Falle einer Pflegebedürftigkeit gehen wir in eine stationäre Pflegeeinrichtung oder suchen uns, wenn es mit der pflegerischen Versorgung in den eigenen vier Wänden (noch) möglich ist, einen ambulanten Pflegedienst, der uns zu Hause unterstützen kann. Doch nicht in erster Linie sind wir auf unsere Krankenversicherung oder Pflegeversicherung angewiesen und haben auch nicht direkt mit diesen beiden Versicherungsformen zu tun, um Leistungen von der Versicherung zu erhalten, müssen wir zum/ zur Leistungsempfänger/in werden – eben wenn wir krank oder pflegebedürftig werden und dann eine entsprechende Einrichtung aufsuchen, in der wir die notwendigen Leistungen erhalten (sollen). So gesehen sind diese beiden Formen der Versicherungsart also in erster Linie für die Finanzierung von Krankenhäusern, Unikliniken oder eben auch stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen relevant.  

Pflegestreik: Pflege ist nicht gleich Pflege 

Die Pflegekräfte der Unikliniken in NRW haben 11 Wochen lang für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne gestreikt. Gleichzeitig bezog sich dieser Streik zum Beispiel explizit auf die Unikliniken in NRW (Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster), während Pflegekräfte anderer Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen nicht von diesen ausgehandelten Bedingungen profitieren. Sie müssten sich stattdessen anderweitig organisieren, wenn sie beispielsweise aus freigemeinnützig oder privat rechtlich organisierten Krankenhäusern kommen. Für Außenstehende scheint dies nicht immer klar zu sein, denn streikende Pflegekräfte nehmen wir immer mal wieder über die mediale Berichterstattung wahr, können jedoch meist als Bürgerin oder Bürger nicht nachvollziehen, warum sich keine flächendeckende Verbesserung dann für alle Pflegekräfte erzielen lässt, wenn es doch schließlich zu einer Einigung zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitsnehmenden gekommen ist. Zu verwirrend erscheinen die Strukturen im Gesundheitssystem zu sein, dass Pflege nicht gleich Pflege ist. Und Pflegekräfte, die streiken, nicht für alle Pflegekräfte im Gesundheitswesen streiken können, da es u.a. die tarifrechtlichen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht ohne Weiteres zulassen.  

Doch warum ist das eigentlich so, dass wir uns als Berufsgruppe der beruflich Pflegenden nach Betriebszugehörigkeit und Organisationsgrad so unterschiedlich organisieren müssen?  

Dafür kann man zunächst einmal das Finanzierungssystem im Gesundheitswesen als solches näher beleuchten. Entsprechend der Versicherungsstrukturen unterscheiden wir hierzulande auch die Finanzierung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, die sich entlang der Krankenversicherung nach SGB V (Sozialgesetzbuch V) und der Pflegeversicherung nach SGB XI (Sozialgesetzbuch XI) hangeln. Unterschieden werden auch Unikliniken von Krankenhäusern, da sie insbesondere über den Bereich der Forschung und Lehre aber auch je nach Ausprägung bestimmter Versorgungsschwerpunkte noch mal über andere Refinanzierungsstrukturen verfügen. Gleichzeitig finden sich entlang der Pflegeversicherung noch mal andere Versorgungsbereiche, wo professionell Pflegende beschäftigt sind. Zu den bekanntesten und am weit verbreitetsten gehören die stationären Pflegeeinrichtungen und die ambulanten Pflegedienste (Stichwort: Langzeitpflege), die teilweise auch über teilstationäre Einrichtungen verfügen, wie eine Kurzzeitpflege- oder eine Tagespflegeeinrichtung. In jedem dieser genannten Settings befinden sich beruflich Pflegende in einem in der Regel unbefristeten Anstellungsverhältnis. So gesehen sind zum Beispiel Pflegefachpersonen einem Betrieb zugehörig und können schließlich über diesen in unterschiedlicher Hinsicht vertreten werden. Streiken demnach Pflegekräfte der Unikliniken für bessere Arbeitsbedingungen, müssten es ihnen Pflegekräfte etwa von stationären Pflegeeinrichtungen, die idealerweise zu einem größeren Trägerverbund gehören, gleichtun. Dazu müssten Pflegekräfte im Optimalfall Mitglied in einer Gewerkschaft oder aber auch über ihren Arbeitgeber in gewisser Weise vertreten sein.  

Und was passiert, wenn die beruflich Pflegenden weder durch eine Gewerkschaft noch durch ihren Arbeitgeber vertreten werden können?  

Nun ja, dann müssten sie sich unter Umständen darauf verlassen, dass es andere Interessenvertretungen gibt, die politische Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen in allen Pflegesettings einfordern. Die Frage ist dann allerdings immer, inwieweit es dann tatsächlich auch wirksam zu Verbesserungen in den Betrieben kommen kann, wenn nur wenige tatsächlich organisiert sind. So passiert es zum Beispiel, dass Pflegeberufsverbände der beruflich Pflegenden Verbesserungen einfordern, die dann in der Regel für möglichst alle gelten sollten. Interessant dabei ist es eigentlich, dass die Politik bei derartigen Forderungen, zum Beispiel höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen, nach SGB V und SGB XI unterscheiden. Die Sozialgesetzbücher werden von der Politik in aller Regel als Grundlage für Veränderungen herangezogen. Gut, wie sollte es auch sonst anders gehen, wenn Strukturen im Gesundheitssektor wirksam verändert werden sollen, so dass sich auch wirklich alle verbindlich daran halten. Einfach ist es für Pflegeberufsverbände in solchen Fällen nicht immer, wenn sie der Politik deutlich machen wollen, dass es zum Beispiel deutliche Verbesserungen in eben allen Bereichen der Fachpflege geben muss. Politische Forderungen hingegen müssen sich schließlich rechtlich irgendwo niederschlagen können, so dass für die Krankenhäuser das SGB V und für die Pflegeeinrichtungen das SGB XI zugrunde gelegt werden.  

Etwa eine höhere Bezahlung für Pflegekräfte?  

Jetzt klingt es einfacher als getan, denn gerade beim Pflegebonus ist deutlich geworden, dass wir politisch betrachtet tatsächlich nur in diesen beiden Versicherungsformen die Berufsgruppe der beruflich Pflegenden zu unterscheiden vermögen. Ein weiteres Beispiel ist da sicherlich auch die Tariftreueregelung nach GVWG, das nur für die ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen eben nach SGB XI gilt, also nicht für die Krankenhäuser. Diese Tariftreueregelung konnte politisch u.a. von den Pflegeberufsverbänden erwirkt werden und führt nun dazu, dass zum 01.09.2022 die Pflegebetriebe eine Bezahlung nach Tarif verbindlich umsetzen müssen, ansonsten würden sie ihren Versorgungsauftrag verlieren. Das setzt die Betriebe in der Langzeitpflege derzeit massiv unter Druck, wenngleich die Beschäftigten, und hier sind neben den Pflegekräften auch weitere Beschäftigte anderer Berufsgruppe inkludiert, nun (endlich) auch eine höhere Bezahlung erhalten.  

Eine höhere Bezahlung für Pflegekräfte? Das kann ja nur für uns alle, als Bürger:in, als Versicherte, als Leistungsempfänger:in oder einfach auch als Mensch, gut und zielführend sein.  

Aber die entsprechende betriebliche Umsetzung wird für viele noch eine sehr große Herausforderung sein. Laut aktuellen Erkenntnissen des AOK-Bundesverbands werden fast vier Fünftel der Pflegeeinrichtungen in Deutschland ihre Beschäftigten nach Tarif oder auf vergleichbarer Basis bezahlen. Weitere Betriebe werden nachziehen. Es ist immerhin ein Anfang für alle Beschäftigten in der Langzeitpflege. Genauso ist es aber auch allen Beschäftigten im klinischen Setting zu wünschen. Zugunsten unserer Gesundheitsversorgung.  

Über die Expertin und Autorin dieses Beitrages

Profilbild von Annemarie Fajardo

Annemarie Fajardo

Hallo, ich bin Annemarie und bei den Pflegepionieren für Pflegemanagement mit dem Schwerpunkt ambulante und stationäre Altenhilfe. Ich bin Pflegepionierin, weil ich persönlich Pionierarbeit in der Pflegebranche in Deutschland als eine sehr wichtige Grundlagenarbeit erachte. Gerne möchte ich meinen Teil zur Verbesserung der Pflege beitragen.

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